Die Westmächte konnten, entgegen
den Hoffnungen vieler Aufständischer, nicht eingreifen, ebensowenig wie
1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei, als sich ähnliches wiederholte.
So schwoll der Strom derer, die seit Kriegsende den sowjetisch besetzten
Teil Deutschlands verließen stark an. Von 1949 bis Ende 1952 waren rund
675.000 Personen geflüchtet. Allein 1953 kamen über 330.000 hinzu.
Bis zum 13. August1961 hatten rund drei Millionen Menschen das Gebiet
der DDR verlassen. Die Hälfte der Flüchtlinge war unter 25 Jahre alt,
60 Prozent waren im arbeitsfähigen Alter. Die Grenzen zur Bundesrepublik
erwiesen sich inzwischen als immer schwerer passierbar. Berlin aber blieb
unter dem Schutz des ,Vier- Mächte-Status" eine offene Stadt.
Zehn Jahre nach der von Stalin verfügten Blockade unternahm die UdSSR,
an deren Spitze nun Nikita Chruschtschow stand, im November 1958 einen
neuen Versuch, ihre Macht auszuweiten. Binnen sechs Monaten sollten die
Westmächte ihre Truppen aus Berlin abziehen und der ,,Umwandlung Westberlins
in eine selbständige politische Einheit" zustimmen. Doch die Schutzmächte
wiesen das Ultimatum zurück, und nach dessen Ablauf geschah zunächst nichts
Bedrohliches. Die Gesamtzahl der DDR-Flüchtlinge ging sogar zeitweise
zurück, auch weil die Grenzkontrollen und die Bestrafung von ,,Republikflüchtigen"
verschärft wurden. 1960 aber waren es wieder 200.000. Gerüchte über eine
völlige Sperre der Grenze trieben immer mehr Menschen zur Flucht, 30.000
allein im Juli 1961.
Als Moskau erneut drohte, das ,,Westberlin-Problem" binnen Jahresfrist
,,zu lösen", antwortete US-Präsident Kennedy mit den drei unverrückbaren
Grundsätzen (,,Three Essentials") der westlichen Berlin-Politik:
- Verteidigung der westlichen
Anwesenheit,
- Wahrnehmung des Rechts
auf Zugang,
- Gewährleistung der Selbstbestimmung
der West-Berliner und der freien Wahl ihrer Lebensform.
Die Ost-Berliner blieben dabei unerwähnt.
Am frühen Sonntagmorgen des 13. August 1961 wurde an den Verbindungsstraßen
nach Berlin (West) das Pflaster aufgerissen. Aus Pfählen, Stacheldraht
und Gräben entstand entlang der Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin
eine provisorische, scharf bewachte Absperrung. Wenige Tage später begann
der Bau der Mauer quer durch Berlin. Auch die DDR-Grenze nach Berlin (West)
und zur Bundesrepublik wurde zum kaum noch zu überwindenden ,,Antifaschistischen
Schutzwall" ausgebaut. Seitdem ist Berlin mit letzter, brutaler Konsequenz
eine geteilte Stadt. Dennoch haben nach dem 13. August1961 bis 1986/87
etwa 39000 Menschen aus der DDR und Ost-Berlin die Sperren in und um Berlin
überwunden, die meisten 1961/62, als es noch nicht die perfektionierte
,,moderne Grenze" gab. Mindestens 73 Menschen verloren bei solchen
Fluchtversuchen ihr Leben. Die Zahl der durch Schüsse Verletzten und die
Zahl der Festgenommenen ist unbekannt. 166 Kilometer lang sind die Sperranlagen
um Berlin (West), 46 Kilometer davon liegen zwischen den beiden Teilen
der Stadt.
Passierschein-Realitäten Der Schock des Mauerbaus war zugleich
der Beginn einer Neuorientierung der Politik in Ost und West, in beiden
Teilen Deutschlands ebenso wie auf internationaler Ebene. Bis zu greifbaren
Ergebnissen sollte allerdings noch ein Jahrzehnt voller Spannungen und
Krisen vergehen. Die Mauer war das Symbol der Zementierung der Machtsphären
in Europa. Die Westmächte hatten die Respektierung ihrer ,,Three
Essentials" durchgesetzt, mußten dafür aber die Bewegungsfreiheit
der Menschen in ganz Berlin opfern. Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung
Deutschlands rückten in immer weitere Ferne.
In der DDR begann eine Phase der inneren Konsolidierung im Schatten der
Mauer.
Für Berlin (West) schuf der Mauerbau neue Probleme und Ungewißheiten.
Der Wirtschaft fehlten über Nacht jene 50- bis 60000 Arbeitskräfte, die
bisher aus dem Ostsektor der Stadt und dem DDR-Umland kamen. Um die schwierige
wirtschaftliche Lage auszugleichen, verabschiedete der Bundestag in Bonn
1962 ein Berlinhilfe-Gesetz. Den Arbeitnehmern brachte es (in veränderter
Form) die ,,Berlin-Zulage", und den Unternehmern und Geldanlegern
sollte es durch Steuervergünstigungen und lnvestitionshilfen die Scheu
vor dem ,,politischen Risiko" bei Berlin Investitionen nehmen.
Am
stärksten traf die Berliner auf beiden Seiten der Mauer die Zerschneidung
zahlloser familiärer Bindungen. Erst zur Jahreswende 1963/64 kam es nach
28 Monaten völliger Trennung zu einem Passierschein-Abkommen: Auf etwa
1,2 Millionen Menschen (einschließlich eines erheblichen Anteils von Mehrfach-Besuchen)
schätzte der damalige Regierende Bürgermeister, Willy Brandt, die Zahl
derer, die binnen 18 Tagen die Sektorengrenze nach Osten passiert hatten,
um ihre Verwandten zu besuchen. Für die Zeit bis Mitte 1966 konnten dann
drei weitere ähnliche Vereinbarungen für sieben ,,Besuchszeiträume"
getroffen werden. Insgesamt wurden 4,3 Millionen Besucher registriert.
Dazwischen und danach waren nur noch Besuche in ,,dringenden Familienangelegenheiten"
möglich, weil die DDR Zugeständnisse forderte, die nach westlicher Ansicht
den bestehenden Berlin-Status in Frage gestellt hätten.
Die Konfrontation
zur Politik der Verträge Immer noch zielte die östliche
Politik auf die Umwandlung ,,Westberlins" in eine ,,selbständige"
oder ,,besondere politische Einheit", die keine Bindungen an die
Bundesrepublik haben sollte. Die Westmächte traten dem stets konsequent
entgegen. Demonstrativ kam 1963 US Präsident Kennedy, der ein Jahr
zuvor die UdSSR zum Rückzug ihrer Atomraketen von Kuba gezwungen hatte,
nach Berlin. Am 26. Juni1963 hielt J.F. Kennedy eine Rede vor dem Rathaus
Schöneberg. Er schloß seine Rede mit dem Satz: ,,Ich
bin ein Berliner." Das
hielt die Sowjets und die DDR nicht davon ab, immer wieder durch Behinderungen
auf den Zugangwegen, bis hin zu zeitweiligen Sperrungen, ihrer Politik
Nachdruck zu verleihen. Als der Deutsche Bundestag 1965 nach langer Pause
das vierte Mal zu einer Plenarsitzung nach Berlin kam, war Berlin für
die Abgeordneten nur mit dem Flugzeug erreichbar; die DDR verwehrte ihnen
die Durchfahrt. Die Sitzung selbst wurde durch Düsenjäger- Tiefflüge über
dem Tagungsort, der Kongreßhalle, massiv gestört. Danach traten nur noch
- wie auch zuvor schon - Ausschüsse und Fraktionen des Bundestages in
Berlin zusammen, seit Ende 1963 im teilweise wiederhergestellten Reichstagsgebäude.
Auch die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, tagte
von 1954 bis 1969 alle fünf Jahre in Berlin und demonstrierte damit ,,Bundespräsenz".
Die DDR hatte ihrerseits im Juni 1968
durch die Einführung der Visum- und (zusätzlich für Nichtberliner) Paßpflicht
im Verkehr zwischen Westdeutschland und dem Westteil Berlins nochmals
ihren Souveränitätsanspruch bekräftigt und führte ihre unberechenbaren,
oft mit stundenlangen Wartezeiten verbundenen Schikanen bei der Abfertigung
der Reisenden fort. All dies blieb jedoch unter der Schwelle einer erneuten
Blockade. Im Osten wie im Westen setzte sich allmählich die Einsicht in
die Sinnlosigkeit des konfrontationskurses und die Bereitschaft zur Anerkennung
der nach 1945 entstandenen Realitäten durch.
Ende Februar 1969 kam der damalige US-Präsident
Nixon nach Berlin und erklärte die Anerkennung des hier bestehenden Zustandes,
des ,,Status quo", zur Nageiprobe auf die Bereitschaft Moskaus zur
Entspannung. Die Sowjetunion, die in den Vorjahren wiederholt die Anerkennung
der ,,Realitäten' in Europa gefordert hatte, ging darauf ein. Nach längeren
Vorbereitungen begannen Ende März1970 im Gebäude des ehemaligen Alliierten
Kontrollrats Verhandlungen der einstigen Siegermächte. Parallel dazu führte
die Bundesregierung in Moskau Gespräche über ein Gewaltverzichtsabkommen
mit der Sowjetunion. Am Ende dieser Gespräche stand am 12. August1970
der ,,Moskauer Vertrag". Darin wurde (wie auch im ,,Warschauer Vertrag"
vom 7. Dezember 1970" die Oder-Neiße-Grenze als gegenwärtige Grenze
Polens anerkannt und ebenso wie die innerdeutsche Grenze für ,,unverletzlich"
erklärt.
Dieser Vertrag sollte jedoch erst in kraft
treten, wenn eine befriedigende Berlin-Regelung gefunden war. Die drei
Westmächte und sämtliche NATO-Staaten stellten sich hinter diese Forderung.
Sie machten die von der Sowjetunion gewünschte europäische Sicherheitskonferenz
abhängig von einem akzeptablen Ende der Berlin-Gespräche. Am 3. September
1971 konnten daraufhin die Botschafter der Westmächte und der Sowjetunion
das Vier-Mächte-Abkommen unterzeichnen.
Zentrale
Funktionen in beiden Teilen Berlins
Trotz allem, was trennt, haben beide Teile Berlins doch manches bewahrt,
das die ungeteilte Vergangenheit in der Gegenwart sichtbar macht. Die
Menschen in Berlin Ost und West ließen sich nicht durch Verträge oder
durch Mauern trennen. Die Zusammengehörigkeit blieb weiter ein Bestandteil
Berlins, auch wenn viele der Bundesbürger sich dieses nicht vorstellen
konnten, daß Familien durch die Mauer auseinandergerissen wurde. Viele
haben ihr Leben lassen müssen, nur weil sie zu ihrer Mutter oder zu Ihren
Kindern wollten. So auch Peter Fechter der 1962 das erste Opfer an der
Berliner Mauer wurde.
Die ,,Hauptstadt"
Berlin Berlin
(Ost) ist, ungeachtet des Sonderstatus der ganzen Stadt und der Westalliierten
Proteste gegen seine Verletzung, seit 1949 ,,Hauptstadt der DDR":
Sitz der Ministerien (außer der Zentrale des Verteidigungsministeriums,
die in Strausberg, östlich von Berlin, liegt), der Volkskammer im ,,Palast
der Republik" und der obersten Parteigremien. Dort haben sich die
diplomatischen Vertretungen des Auslands und die Ständige Vertretung der
Bundesrepublik Deutschland ,,bei der DDR" niedergelassen.
Für die Bundesrepublik ist, ebenfalls seit
1949, Bonn politisches Zentrum und ,,Bundeshauptstadt", die ihren
anfänglich demonstrativ "provisorischen" Charakter immer mehr
verloren hat. Dennoch besitzt Berlin (West) im Schloß BeIlevue einen zweiten
Amtssitz des Bundespräsidenten und im Bundeshaus Vertretungen der Bundesministerien
(mit Ausnahme des Verteidigungsressorts). Im Reichstagsgebäude, das der
Bundestagsverwaltung untersteht, finden ständig Sitzungen der Bundestagsfraktionen
und von Ausschüssen des Bundestags, des Bundesrats und europäischer Gremien
statt. Mit dem Bundesverwaltungsgericht und einem Senat des Bundesgerichtshofes
sind zwei Oberste Bundesgerichte in Berlin vertreten. Viele andere Bundesbehörden
haben hier ihren Hauptsitz, wie das Bundesgesundheitsamt, das Umweltbundesamt
und die Bundesanstalt für Materialprüfung, oder unterhalten eigene Berliner
Dienststellen. Auch die frühere Reichs- und jetzige Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte ist nach wie vor in Berlin.
Kultur in Berlin Zentrum des Musiklebens ist das
1882 gegründete Philharmonische Orchester - und das nicht nur, weil Herbert
von Karajan 1954, nach dem Tode Wilhelm Furtwänglers, dessen Nachfolger
als Chefdirigent wurde. Mit der Philharmonie und dem Kammermusiksaal,
die ebenso wie die neue Staatsbibliothek von Hans Scharoun entworfen wurden,
sind im ,,Kulturforum" zugleich Akzente der modernen Berliner Architektur gesetzt. Andere
Symphonie- und Kammerorchester, dazu Jazz-, Pop- und Rockgruppen, tragen
wesentlich zum Ansehen Berlins als musikalischer ,Weltstadt" bei.
Wettbewerbe und Programme mit internationaler Beteiligung ergänzen diese
Vielfalt. Seit 1951 finden die ,,Berliner Festwochen" (denen in Ost
Berlin die ,,Berliner Festtage" entsprechen) mit Musik- und Theaterdarbietungen
und Ausstellungen statt. Beim ,,Theatertreffen" sind beispielhafte
Inszenierungen deutschsprachiger Bühnen zu sehen. Die ,,Berliner Internationalen
Filmfestspiele" gehören neben denen in Cannes und Venedig zu den
bedeutendsten Festspielen der Welt und haben sich zu einer wichtigen Begegnungsstätte
der Filmschaffenden aus Ost und West entwickelt.
Die ,,Berliner Jazztage" und der ,,Sommernachtstraum" Veranstaltungsreigen,
dazu Anlässe historischer Rückbesinnung, wie das ,,Preußenjahr" 1981
und die 750-Jahr-Feier Berlins 1987 mit großen Ausstellungen und zahlreichen
Veranstaltungen, leisten einen Beitrag zur KuIturmetropole Berlin.
Festspiele
der Jugend eröffnet 28. August 1973. In Ost-Berlin
erfolgt die feierliche Eröffnung der Weltfestspiele der Jugend und Studenten,
die bis zum 5. September andauern. An der Eröffnungsveranstaltung nehmen
Delegationen aus 140 Ländern teil. Sie findet im erst kurz zuvor in Stadion
der Weltjugend umbenannten Walter-Ulbricht-Stadion statt. Unter den Teilnehmern
befinden sich auch 800 aus der Bundesrepublik und aus West-Berlin, die
unterschiedlichen politischen Gruppierungen angehören. Die DDR hatte ihnen
freien Meinungsaustausch zugesichert.
Der Sportpalast wird abgerissen 13. November 1973. In der Potsdamer Straße in Schöneberg wird
mit dem Abriß des Sportpalasts begonnen. Trotz Proteste der Berliner Bevölkerung.
Die Traditionsreichste Berliner Sportstätte war zuvor an eine Wohnungsbaugesellschaft
verkauft worden. Sie plant, auf dem Gelände Wohnblocks zu errichten. Der
1910 eröffnete Sportpalast war zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden.
Hier fanden u.a. die Weltbekannten Sechstagerennen, Eissportveranstaltungen
und Boxkämpfe statt. Ebenso wurde das Gebäude für Konzerte genutzt. Dort
aber fanden auch - vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus
- politische Großkundgebungen statt.
Berlin
ist wieder Reiseziel »Berlin
ist eine Reise wert!« Mit diesem Slogan wirbt das Fremdenverkehrsgewerbe
der Stadt um Touristen aus allen Teilen der Welt. Berlin, auch aus politischen
Gründen auf einen regen Kontakt zum In- und Ausland angewiesen, will der
Gefahr der Isolierung entgegenwirken und wieder zu einem Anziehungspunkt
des internationalen Tourismus werden. In den letzten Jahren wurden zu
diesem Zweck erhebliche Investitionen vom Senat und der Berliner Industrie
veranlaßt, die mit der Eröffnung des Internationalen Congress Centrums
am Funkturm (2.4.1979) und der Erweiterung der Hotelkapazität ihren Höhepunkt
fanden. Besonders das ICC eröffnet der Kongreß- und Messestadt neue Dimensionen.
1980 finden im ICC 551 Veranstaltungen mit mehr als 213.000 Teilnehmern
statt. Insgesamt zählt Berlin 1980 mehr als vier Millionen Besucher, darunter
über 7500 Jugendgruppen mit über 250.000 Jugendlichen Gästen. Bei Großveranstaltungen,
wie Kirchentagen oder Messen, unter denen die Internationale Grüne Woche,
die Tourismus-Börse sowie die Internationale Funkausstellung herausragen,
weilen oft mehrere zehntausend Besucher allein im Westteil der Stadt.
Wegen der durch das Transitabkommen (3 9.1971) erzielten Erleichterungen
im Straßenverkehr von und nach Berlin ist auch für immer mehr Westdeutsche
»Berlin eine Reise wert«. Der Anteil der Kurzurlauber, die das kulturelle
Angebot oder die »Kneipenszene« anlockt, steigt jährlich. Viele Besucher
der Stadt nutzen auch die Gelegenheit zu einem Abstecher nach Ost-Berlin.
Über die innerstädtischen Übergänge reisen pro Jahr etwa 1,4 Millionen
westdeutsche Besucher in den Ostteil, wo der 360 m hohe Fernsehturm und
der Alexanderplatz als Attraktion gelten. Für West-Berlin bietet der Tourismus
eine der wichtigsten Einnahmequellen.